Best Practice

Chancenbringer Plattform

03.07.2019

Wie die IT mit plattformbasierten Geschäftsmodellen digitale Ökosysteme schafft.

Unter „Netzwerk“ und „Plattform“ verstehen IT-Experten meist technische Lösungen. Doch sie müssen heute weiterdenken. Eine Plattform kann auch eine Community, ein Vertriebskanal oder ein digitaler Marktplatz sein. Im Zuge der digitalen Transformation benötigen Unternehmen individuelle Plattformen, um erfolgreiche Netzwerke für den Austausch mit Entwicklern, Partnern und Kunden aufzubauen.

Ob Amazon, Booking.com oder GitHub: Wohl jeder Internet-Nutzer hat schon einmal etwas in einem Web-Shop, einem Vergleichsportal oder einem Online-Dienst gesucht und gefunden. Wer hat sich dabei aber um die technische Lösung gekümmert, auf der das Ganze läuft?

Den Blickwinkel des Nutzers haben viele IT-Führungskräfte aus den Augen verloren, da sie sich vorwiegend um die technische Basis kümmern. Doch selbst die beste Infrastruktur nützt nichts, wenn die Anwendung zu komplex ist. Daher muss sich die IT Gedanken darüber machen, auf welche Weise sie ihre Nutzer oder Partner erreichen will.

Hier geht es nicht um Cloud oder on-Premise, sondern um das Erreichen der Zielgruppen und das Zusammenbringen von Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dies ist viel wichtiger als die technische Lösung an sich. Denn im heutigen digitalen Zeitalter kommen immer mehr technologie-, unternehmens- und branchenübergreifende Plattformen zum Einsatz.

 

Das Schaufenster für den Kunden

Bei Entwicklung und Aufbau einer attraktiven Plattform geht es aber nicht primär um die technische Basis, sondern um ein verlockendes Schaufenster für mögliche Nutzer und Partner. Das erfordert sowohl ein ansprechendes Design und einfache Navigation als auch den Aufbau eines Netzwerks, um Verbindungen zu möglichen Interessenten mit entsprechenden Bedürfnissen zu schaffen und diese zu Transaktionen zu bewegen.

Die fünf Hauptfunktionen einer Plattform sind daher:

  1. Aufmerksamkeit erregen und Traffic generieren
  2. Matchmaking – Anbieter und Interessenten zusammenbringen
  3. Transaktionstools bereitstellen (z.B. Logistik und Bezahlung)
  4. Regeln und Standards setzen
  5. Direkt oder indirekt den Umsatz steigern

 

Ein früher Einstieg lohnt sich

Aus dem klassischen Wirtschaftsbereich ist bekannt, dass man Geschäftskontakte nur mit „Netzwerken“ erhält. Während für den persönlichen Kontakt oft kleinere Messen oder Meetings günstiger sind, gilt bei digitalen Ökosystemen das Motto: Big is beautiful!

Nur wer es schafft, möglichst schnell möglichst viele Stakeholder zu verbinden, viele Daten bereitzustellen und damit viele Interaktionen und Transaktionen zu ermöglichen, kann eine erfolgreiche Plattform aufbauen und damit auch in Zukunft bestehen.

Ein vollkommen neues plattformbasiertes Geschäftsmodell zu entwickeln, gelingt meist jedoch nur Startups. Aber auch in traditionellen Unternehmen verbergen sich häufig Potenziale, um diese im digitalen Zeitalter zur Hightech- oder IT-Company werden zu lassen. Hierzu müssen diese aber in einem richtigen digitalen Ökosystem auf einer digitalen Plattform mit den richtigen Partnern, Daten und Technologien verbunden werden.

Der Schlüssel hierfür liegt im Konzept der modernen IT, die mehr und mehr mit den Fachbereichen verschmilzt. Sie versteht sich nicht mehr nur als Support oder Enabler, sondern als Treiber für das Business. Die Vorgehensweise des IT-Managements wandelt sich dabei vom Ansatz „Source-Make-Deliver“ hin zu „Innovate-Design-Transform“ und ist damit direkt in die Wertschöpfung integriert.

 

Integration von Fachbereichen und IT

Dies funktioniert jedoch nur mit Hilfe einer gemeinsamen Fachbereichs- und IT-Organisation, welche auf einer Plattform basiert, die geschäftsorientiert aufgebaut ist. Das heißt: Jede Plattform erfüllt einen definierten Geschäftszweck und -nutzen, hat ein eigenes Team – welches aus Mitgliedern der gesamten Wertschöpfungskette bestehen kann – und besitzt eine Reihe miteinander logisch und technisch verknüpfter Applikationen oder Technologien.

Diese Plattformen basieren technologisch auf der Core IT und können schnell skalieren sowie agil weiterentwickelt werden. Die Platform Owner müssen ihre Plattform wie ein Business betreiben und gegen andere Plattformen innerhalb und auch außerhalb des Unternehmens konkurrieren. Damit entstehen Innovationen dort, wo sie benötigt werden, und neue Modelle können schnell aktiviert oder wieder deaktiviert werden.

Die Plattform innerhalb eines Unternehmens erbringt nicht nur externe, sondern auch interne Services. Die Grenzen sind hier fließend. Beispielsweise lässt sich ein Bezahlsystem für Kunden durchaus zusätzlich und entsprechend abgesichert auch für interne Zwecke nutzen. Wichtig sind hier ein modularer Aufbau und offene Schnittstellen, die Verbindungen zu Cloud-Systemen oder andere Plattformen ermöglichen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob man die technische Plattform selbst entwickelt und betreibt oder eine bereits vorhandene nutzt. Sie sollte sich aber an die individuellen Bedürfnisse anpassen lassen.

 

Die optimale Basis

Im Idealfall setzen Unternehmen für jedes wichtige Geschäftsmodell eine eigene wettbewerbsdifferenzierende Plattform ein, welche mit einer Vielzahl von anderen externen Plattformen verbunden ist, um noch mehr Traffic und damit Reichweite zu erzeugen. Nicht-wettbewerbsdifferenzierende Systeme können sie dagegen als Commodity Services aus der Cloud beziehen – wie Strom aus der Steckdose.

Dabei lassen sich drei grundlegende Varianten unterscheiden: Customer Journey/Experience Platforms, Business Capability Platforms und Core IT Platforms. Der unterschiedliche Nutzen lässt sich anhand folgender Praxisbeispiele veranschaulichen

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Customer Journey/Experience Platforms

Customer Journey/Experience Platforms

Im Bereich Industrie 4.0 gibt es immer mehr Customer Experience Platforms zur individuellen Konfiguration von Produkten, sowohl im B2C- als auch im B2B-Umfeld. Diese Plattformen ermöglichen eine genaue Abfrage und Erfassung der Kundenbedürfnisse. In der Praxis wird der Prozess zur effizienten und vollautomatisierten Produktion von individuell konfigurierten Produkten immer weiter ausgebaut. Sportartikelhersteller setzen in diesem Zusammenhang beispielsweise auf neue Fabriktypen, in denen Sportschuhe individuell, schnell und effizient produziert werden.

Business Capability Platforms

Business Capability Platforms

Durch eine direkte Vernetzung der Customer Journey Platform mit Produktions- und Logistiksystemen wird eine kundenindividuelle Fertigung von Massenprodukten möglich. Vernetzte Produktionsanlagen schaffen völlig neue Möglichkeiten zur effizienten Ausgestaltung von Wertschöpfungsketten. Kunden, Produzenten und Zulieferer werden direkt mittels Produktions- und Logistiksystemen vernetzt. Produktionssysteme bestehen dabei aus einer Vielzahl vernetzter Sensoren und Operatoren. Die angegliederten Logistiksysteme werden durch umfangreiche Datenquellen gespeist.

Core IT Platforms

Core IT Platforms

Die benötigte Rechenleistung für die direkte Vernetzung von Customer Platforms mit Produktions- und Logistiksystemen wird durch die Core IT geliefert. Zentrale Aufgabe ist die Bereitstellung von Rechenleistung, Cloud-Diensten, Daten, Schnittstellen und Automatisierung.

In den meisten Unternehmen müssen die notwendigen organisatorischen Strukturen für diese Entwicklung jedoch erst geschaffen werden. Dabei hat die moderne IT vier Hauptaufgaben:

  • Sie ist für den kulturellen Change verantwortlich, begleitet sowohl die technologische als auch die kulturelle Veränderung und sorgt für die Motivation zur Innovation.
  • Sie baut die Organisation um, sodass Entwicklungsprozesse nutzerzentriert sowie agil von Fachbereich und IT umgesetzt werden – unter Nutzung entsprechender Plattformstrategien.
  • Sie sorgt für einfache und effiziente interne Prozesse und verantwortet die Schnittstellen über Unternehmensgrenzen hinweg, um möglichst viele Plattformen zu verbinden.
  • Sie stellt die richtigen und aktuellen Technologien hochstandardisiert bereit, um interne und externe Nutzer zufriedenzustellen (User centric IT/Digital Workplace).
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Fazit

Es gibt für Unternehmen ein jeweils ideales digitales Gesamtsystem. Da dieses in der Regel noch nicht existiert, müssen sie jetzt mit der Erstellung beginnen. Dabei sollten sie aber eines beachten: Während sie sich bislang mit Hilfe von Technologien vorwiegend abschotteten, werden sie die digitalen Plattformen zwangsläufig mit anderen näher zusammenbringen – nicht nur mit Kunden und Partnern, sondern auch mit der Konkurrenz. Denn selbst diese Kontakte können eines Tages wertvoll sein, um im hochdynamischen Marktumfeld zu bestehen.