Unter „Netzwerk“ und „Plattform“ verstehen IT-Experten meist technische Lösungen. Doch sie müssen heute weiterdenken. Eine Plattform kann auch eine Community, ein Vertriebskanal oder ein digitaler Marktplatz sein. Im Zuge der digitalen Transformation benötigen Unternehmen individuelle Plattformen, um erfolgreiche Netzwerke für den Austausch mit Entwicklern, Partnern und Kunden aufzubauen.
Ob Amazon, Booking.com oder GitHub: Wohl jeder Internet-Nutzer hat schon einmal etwas in einem Web-Shop, einem Vergleichsportal oder einem Online-Dienst gesucht und gefunden. Wer hat sich dabei aber um die technische Lösung gekümmert, auf der das Ganze läuft?
Den Blickwinkel des Nutzers haben viele IT-Führungskräfte aus den Augen verloren, da sie sich vorwiegend um die technische Basis kümmern. Doch selbst die beste Infrastruktur nützt nichts, wenn die Anwendung zu komplex ist. Daher muss sich die IT Gedanken darüber machen, auf welche Weise sie ihre Nutzer oder Partner erreichen will.
Hier geht es nicht um Cloud oder on-Premise, sondern um das Erreichen der Zielgruppen und das Zusammenbringen von Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dies ist viel wichtiger als die technische Lösung an sich. Denn im heutigen digitalen Zeitalter kommen immer mehr technologie-, unternehmens- und branchenübergreifende Plattformen zum Einsatz.
Das Schaufenster für den Kunden
Bei Entwicklung und Aufbau einer attraktiven Plattform geht es aber nicht primär um die technische Basis, sondern um ein verlockendes Schaufenster für mögliche Nutzer und Partner. Das erfordert sowohl ein ansprechendes Design und einfache Navigation als auch den Aufbau eines Netzwerks, um Verbindungen zu möglichen Interessenten mit entsprechenden Bedürfnissen zu schaffen und diese zu Transaktionen zu bewegen.
Die fünf Hauptfunktionen einer Plattform sind daher:
- Aufmerksamkeit erregen und Traffic generieren
- Matchmaking – Anbieter und Interessenten zusammenbringen
- Transaktionstools bereitstellen (z.B. Logistik und Bezahlung)
- Regeln und Standards setzen
- Direkt oder indirekt den Umsatz steigern
Ein früher Einstieg lohnt sich
Aus dem klassischen Wirtschaftsbereich ist bekannt, dass man Geschäftskontakte nur mit „Netzwerken“ erhält. Während für den persönlichen Kontakt oft kleinere Messen oder Meetings günstiger sind, gilt bei digitalen Ökosystemen das Motto: Big is beautiful!
Nur wer es schafft, möglichst schnell möglichst viele Stakeholder zu verbinden, viele Daten bereitzustellen und damit viele Interaktionen und Transaktionen zu ermöglichen, kann eine erfolgreiche Plattform aufbauen und damit auch in Zukunft bestehen.
Ein vollkommen neues plattformbasiertes Geschäftsmodell zu entwickeln, gelingt meist jedoch nur Startups. Aber auch in traditionellen Unternehmen verbergen sich häufig Potenziale, um diese im digitalen Zeitalter zur Hightech- oder IT-Company werden zu lassen. Hierzu müssen diese aber in einem richtigen digitalen Ökosystem auf einer digitalen Plattform mit den richtigen Partnern, Daten und Technologien verbunden werden.
Der Schlüssel hierfür liegt im Konzept der modernen IT, die mehr und mehr mit den Fachbereichen verschmilzt. Sie versteht sich nicht mehr nur als Support oder Enabler, sondern als Treiber für das Business. Die Vorgehensweise des IT-Managements wandelt sich dabei vom Ansatz „Source-Make-Deliver“ hin zu „Innovate-Design-Transform“ und ist damit direkt in die Wertschöpfung integriert.
Integration von Fachbereichen und IT
Dies funktioniert jedoch nur mit Hilfe einer gemeinsamen Fachbereichs- und IT-Organisation, welche auf einer Plattform basiert, die geschäftsorientiert aufgebaut ist. Das heißt: Jede Plattform erfüllt einen definierten Geschäftszweck und -nutzen, hat ein eigenes Team – welches aus Mitgliedern der gesamten Wertschöpfungskette bestehen kann – und besitzt eine Reihe miteinander logisch und technisch verknüpfter Applikationen oder Technologien.
Diese Plattformen basieren technologisch auf der Core IT und können schnell skalieren sowie agil weiterentwickelt werden. Die Platform Owner müssen ihre Plattform wie ein Business betreiben und gegen andere Plattformen innerhalb und auch außerhalb des Unternehmens konkurrieren. Damit entstehen Innovationen dort, wo sie benötigt werden, und neue Modelle können schnell aktiviert oder wieder deaktiviert werden.
Die Plattform innerhalb eines Unternehmens erbringt nicht nur externe, sondern auch interne Services. Die Grenzen sind hier fließend. Beispielsweise lässt sich ein Bezahlsystem für Kunden durchaus zusätzlich und entsprechend abgesichert auch für interne Zwecke nutzen. Wichtig sind hier ein modularer Aufbau und offene Schnittstellen, die Verbindungen zu Cloud-Systemen oder andere Plattformen ermöglichen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob man die technische Plattform selbst entwickelt und betreibt oder eine bereits vorhandene nutzt. Sie sollte sich aber an die individuellen Bedürfnisse anpassen lassen.
Die optimale Basis
Im Idealfall setzen Unternehmen für jedes wichtige Geschäftsmodell eine eigene wettbewerbsdifferenzierende Plattform ein, welche mit einer Vielzahl von anderen externen Plattformen verbunden ist, um noch mehr Traffic und damit Reichweite zu erzeugen. Nicht-wettbewerbsdifferenzierende Systeme können sie dagegen als Commodity Services aus der Cloud beziehen – wie Strom aus der Steckdose.
Dabei lassen sich drei grundlegende Varianten unterscheiden: Customer Journey/Experience Platforms, Business Capability Platforms und Core IT Platforms. Der unterschiedliche Nutzen lässt sich anhand folgender Praxisbeispiele veranschaulichen