23.07.2021

Der Letzte macht das Licht aus

Führen Cloud-Services zur Auflösung von Rechenzentrum und IT-Abteilung?

Digitalisierung, Homeoffice und Collaboration-Tools sorgen für eine zunehmende Cloud-Nutzung in Unternehmen. Doch wird damit das klassische Rechenzentrum überflüssig? Höchste Zeit, eine Strategie für die eigene Infrastruktur und IT-Abteilung zu entwickeln. 

 

Was lange Zeit nur theoretisch diskutiert wurde, kam quasi über Nacht zum Einsatz: Digitale Lösungen für Remote Work und Videokonferenzen waren notwendig, um arbeitsfähig zu bleiben und für Kunden erreichbar zu sein. So sind die Clients nun mit modernen Collaboration-Tools ausgestattet und mobiles Arbeiten ist zur neuen Normalität geworden. 

Bedingt durch die hektische Einführung, blieb eine umfassende Absicherung in vielen Unternehmen jedoch häufig auf der Strecke. So gibt es einen großen Optimierungsbedarf an aktuellen Security-Maßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel moderne Zero-Trust-Lösungen, die sowohl Nutzende als auch Geräte im Unternehmensnetzwerk ständig überprüfen. Hinzu kommen strenge Rechtevergabe und Netzwerksegmentierung. 

Sicherheit als größte Herausforderung

Gerade damit sind jedoch viele Unternehmen überfordert. Laut dem aktuellen Future IT Report von Campana & Schott sehen 64 Prozent der Befragten die gesetzlichen Anforderungen zu Datenschutz und Datensicherheit als größte Herausforderung im Zuge der digitalen Transformation. Sogar 81 Prozent der Teilnehmenden berichten von gestiegenen Kundenanforderungen in diesem Bereich. 

Die Migration in die Cloud verkompliziert dabei die Lage. Denn obwohl verschiedene Services und Anwendungen nun Cloud-basiert sind, gibt es meist noch ein eigenes Rechenzentrum mit Legacy-Applikationen für den hybriden Betrieb oder aus Compliance-Gründen. So kämpfen laut Future IT Report mehr als 60 Prozent der Unternehmen mit einer komplexen Infrastruktur, die über die Jahre gewachsen ist. Schließlich zerfasert die einst homogene On-Premises-Struktur mit jedem zusätzlichen Cloud-Service. 

Was ist jetzt zu tun?

Häufig glauben Fachabteilungen, dass sich das IT-Management durch die „ausgelagerten Dienste“ vereinfacht. Doch meist ist das Gegenteil der Fall: Sind immer mehr Commodity-Services im Einsatz, steigt der Aufwand für deren Betrieb. Jeder Dienst bringt sein eigenes Management-Tool mit. Dadurch bleibt der IT-Abteilung immer weniger Zeit, sich um Innovationen und die Anforderungen der Fachbereiche zu kümmern. Wie können Unternehmen mit dieser Situation umgehen?  

In einem ersten Schritt ist es wichtig, eine grundsätzliche Strategie zu entwickeln, welche Anwendungen und Dienste in die Cloud auszulagern sind, welche im eigenen Rechenzentrum bleiben und welche hybrid zu betreiben sind. Dabei sollten Unternehmen sich auch von Altinvestitionen lösen und diese als sunk costs betrachten. Auch wenn in bestimmte Technologien zunächst viel Geld investiert wurde, bedeutet dies nicht zwingend, dass diese beibehalten werden. In dieser ersten Analyse ist es entscheidend, zu evaluieren, welche Investitionen weiter verfolgt werden – und welche nicht.   

Eine Entscheidungsrichtlinie kann hier neben Flexibilität, Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit auch die Nachhaltigkeit geben. So zeigt der Future IT Report 2021, dass über die Hälfte der Unternehmen bereits Nachhaltigkeitsziele für die IT besitzen. Diese lassen sich durch die Cloudifizierung von Services oft leichter erreichen. Denn Cloud-Rechenzentren haben hohe Nachhaltigkeitsziele, die sie aufgrund des Kundendrucks und von Compliance-Vorgaben erreichen und einhalten müssen. So erfüllen moderne Rechenzentren von Cloud-Hyperscalern beispielsweise eine Power Usage Effectiveness von weniger als 1,25 - – wohingegen klassische Rechenzentren einen Wert von 2 erzielen. Durch die Einbindung von Cloud-Rechenzentren können Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit ihre Ziele demnach besser verwirklichen als mit einem eigenen Rechenzentrum.  

 

10 Punkte für die künftige Strategie

 Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, sollten Unternehmen daher ihre komplette IT auf den Prüfstand stellen: 

Die strategischen Weichen in Richtung Cloud-Sourcing stellen.

Dazu muss zunächst die Ausrichtung von Cloud-Strategie, Sourcing-Strategie und Anpassung der IT-Organisation festgelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Eigenfertigungstiefe der Unternehmen sich verändert, wenn es vermehrt Leistungen einkauft. Die Organisation muss dann entsprechende Fähigkeiten im Cloud-Management aufbauen.

Cloud-Entscheidungsbaum für das komplette On-Premises-Rechenzentrum aufsetzen.

Der zweite Schritt umfasst eine umfassende Analyse sowie einen qualitativen und quantitativen Business Case inklusive Timeline. Dies ist wichtig, um eine gesicherte Roadmap mit Entscheidungs- und Investitionsmeilensteinen über die nächsten zwei bis drei Jahre aufzubauen.

Mit kleinen Projekten starten.

Unternehmen sollten zunächst einfache Anwendungen in die Cloud migrieren, sodass die Organisation daraus lernen kann.

Fähigkeiten der Organisation gezielt ausbauen.

Dazu gehört es, vor allem Skills im Cloud-Management und in agilen Entwicklungsmethoden aufzubauen. 

Den Grundstein für einen Zero-Trust-Ansatz legen.

Hierfür sollten Unternehmen Geräte in das Identity and Access Management (IAM) integrieren und zumindest für User Accounts mit Admin-Rechten eine Multi-Faktor-Authentifizierung einführen.

Eine Basis für Migration schaffen.

Hierzu sind die dauerhaft On-Premises verbleibenden Edge-IT-Services zu identifizieren. Alle anderen Anwendungen werden einem geplanten Migrationsszenario zugeordnet.

Parallel und schrittweise das Security-Konzept ausrollen.

Dies muss jederzeit in Abstimmung mit dem Zero-Trust-Ansatz erfolgen.

Schritt für Schritt die Cloud- Governance und das Management erweitern.

Hierzu sind alle Stakeholder frühzeitig zu informieren.

Die IT-Organisation an die neue Sourcing-Strategie anpassen.

Anhand der veränderten Eigenfertigungstiefe sind entsprechende Servicekataloge zu erstellen und die Service-Management-Organisation zu erweitern. Dies umfasst auch eine Verlagerung der Aufwände weg vom reinen Betrieb hin zum Service und Demand Management.

Die Menschen in der IT-Organisation aktiv in den Veränderungsprozess einbinden.

Sonst können Widerstände gegen die Stabilitätsziele des IT-Betriebs und jede Transformation entstehen. Daher ist ein ganzheitliches Change Management wichtig.

Fazit

Die Pandemie hat innerhalb weniger Wochen die Pläne vieler Unternehmen durchkreuzt. Daher ist es jetzt an der Zeit, dass sie sich neu sortieren und dabei auch die IT-Strategie grundlegend überdenken. Gerade da sich Cloud-Services durch hohe Flexibilität, Skalierbarkeit, Ausfallsicherheit und Nachhaltigkeit als zukunftssichere Investition erweisen, sollten Unternehmen eine Migration schrittweise verfolgen.  
Und doch macht der 10-Punkte-Plan auch deutlich: Von eigenen Rechenzentren wird nur ein kleiner Teil übrigbleiben. Das Licht im Rechenzentrum wird schneller ausgehen als vor zwei Jahren erwartet. Das Licht in der IT hingegen bleibt an.  

Autoren

Sven Kreimendahl

Sven Kreimendahl

Associate Partner | IT Strategy & IT Transformation

Kai Wiesmann

Kai Wiesmann

CIO Advisor