28.01.2021

„Homeoffice ist nur ein Zwischenschritt in der aktuellen Pandemie“

Dr. Eric Schott im Interview zu den Herausforderungen der Post-Covid-Ära.

Durch die Corona-Pandemie war das Jahr 2020 geprägt von vielen kurzfristigen, aber auch zahlreichen weitreichenden Veränderungen. Was davon nimmst Du persönlich mit?   

Da möchte ich zwei Punkte herausgreifen. Erstens: 2020 hat sich unser Teamwork deutlich weiterentwickelt. Insgesamt haben wir jetzt mehr sowie auch intensivere Formen der Zusammenarbeit. Remote haben wir ja schon lange gearbeitet, aber es sind viele neue Varianten dazugekommen wie virtuelle Workshops und Kreativsessions. Und vor allem: Teamwork und Teamspirit haben sich gegenseitig sehr positiv verstärkt. Das bezieht sich auch ganz ausdrücklich auf die tollen neuen Formen der Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Dabei gilt für mich überall: Technologie muss Teamwork ermöglichen. Daraus ist die Idee des „Seamless Office“ entstanden. 

Zudem habe ich für 2021 die Einsicht mitgenommen, dass Resilienz zur Effizienz dazugehört. Oder umgekehrt: Resilienz und Effizienz müssen in Balance gebracht werden. Wenn wir den Fokus zu sehr auf Effizienz legen, wird das Eis, auf dem wir stehen, immer dünner. Das gilt auch für andere Unternehmen, ein Beispiel: Die Verlagerung von Lieferketten, um noch weitere Einsparungen zu realisieren, geht zu Lasten der Stabilität. Die Risiken nehmen zu. Wenn dann ein Lieferant ausfällt und die Lieferkette unterbricht, übersteigen die Schäden bei weitem den Einsparungsgewinn. Für unser eigenes Unternehmen denke ich jetzt anders nach, zum Beispiel: Wie anfällig ist unser aktuelles Projektportfolio für Störungen? Wie können wir unser Portfolio umgestalten, so dass das Ausmaß von „externen Schocks“ deutlich kleiner wird? In diesem Sinne sehe ich Resilienz als Widerstandskraft. Für uns hat das interessanterweise auch bedeutet, dass wir noch mehr Fokus auf Innovation legen – Innovation stärkt Resilienz.

Zweifelsohne war für viele Homeoffice eine der größten Umstellungen im Jahr 2020. Können wir jetzt an das Thema einen Haken machen oder geht da noch mehr? 

Die Kampagne um #MachtBuerosZu zeigt: Nicht alle konnten bislang auf Homeoffice umstellen oder wollen es schlichtweg nicht. Das ist zu wenig. Gerade in der aktuellen Pandemie müssen Unternehmen sich ihrer Verantwortung bewusst werden und auch Mitarbeitende schützen! 

Der erste Schritt ist von Homeoffice zu Seamless Office: Homeoffice ist nur ein Zwischenschritt in der aktuellen Pandemie. Es ist super, dass Zoom und vor allem Teams jetzt so gut funktionieren. Wie es weitergeht, zeigt eines meiner Lieblingsfeatures: Ich starte zu Hause eine Videokonferenz. Nach einer halben Stunde muss ich mich auf den Weg zum Kindergarten machen. Teams erkennt, dass ich das Gerät wechseln möchte, und mit einem Klick kann ich die laufende Session an mein Mobiltelefon übergeben. Also, das nächste Etappenziel heißt Seamless Office, verstanden als Technologie, die ganz unterschiedliche Arbeitsformen und die Übergänge von der einen zur nächsten unterstützt.

Der nächste Schritt ist vom Seamless Office zu New Work: Wir müssen die Chancen nutzen, die in den 2020 gemachten Erfahrungen und getätigten Investitionen liegen: Welche neue Arten des Zusammenarbeitens brauchen wir? Welche neue Form des Arbeitens wollen wir? New Work ist dabei für mich die neue Richtschnur für effektives Arbeiten, bei der die Arbeits- und Lebenswelt des Menschen im Mittelpunkt steht: Wie gestalten wir für Menschen eine berufliche Arbeitsumgebung, die gut passt zu ihrem Leben, zu ihrem Umfeld, zu ihrer Familie und zu ihren persönlichen Entwicklungsperspektiven? Das müssen wir weiterdenken. 

Digitalisierung ist ja mehr als nur der Einsatz von Videoconferencing-Tools. Wo müssen Unternehmen 2021 ansetzen? 

Also, neben New Work, ganz klar ein Thema: Mehr Security ist Pflicht! Cyberangriffe entwickeln sich möglicherweise zur nächsten globalen Pandemie. Die Angriffe nehmen an Häufigkeit und Heftigkeit zu. Ich stufe den Handlungsbedarf bei den Unternehmen als sehr groß ein. Aus meiner Sicht geht es nicht so sehr um rein technische Maßnahmen, sondern vielmehr um die übergeordnete Security-Strategie. Und so erlebe ich aktuell vor allem Defizite in puncto Organisation, also bei gebündelten Zuständigkeiten und Priorisierung, als auch insgesamt bei der Qualifikation: Das Bewusstsein auf der Führungsebene sowie der geschulte, aufmerksame Umgang bei allen Mitarbeitenden, beispielsweise mit verdächtigen, aber schwer zu erkennenden Phishing-Mails, müssen schnell qualifiziert werden. 

IT-Security wird dieses Jahr ein Pflichtthema. Was steht weiter noch an?

Aktuell sind viele Unternehmen in einer Art „Warteposition“. Jetzt, wenn die Impfmaßnahmen mehr und mehr greifen, dürfen die Unternehmen keine Zeit verlieren und sollten sich für die Post-Covid-Ära rüsten. Beschleunigen der Prozessdigitalisierung und bei Digitalstrategien runter von der Bremse – das sind die Themen der Stunde. Also bei beiden heißt es Gas geben. 

Bei der Prozessdigitalisierung liegen vergleichsweise schnell zu realisierende Einsparmöglichkeiten. Ein Beispiel: Viele Unternehmen haben die großen Systeme, etwa für Mail und Kommunikation, in die Cloud gebracht. Die gleichen Unternehmen betreiben aber oft noch viele alte, eigene Anwendungen in eigenen Rechenzentren. Hier raten wir zu einer konsequenten Verlagerung auch dieser Programme hinein in die Cloud. Wir sprechen hier von der zweiten Welle, „Second Wave Cloud“. Und wenn ohnehin Anwendungen verlagert werden, kann man sie auch gleich anfassen, verbessern, zusammenlegen oder vielleicht doch ganz abschalten. 

Bei den Digitalstrategien müssen wir den Faden wieder aufgreifen und uns mit der Neuerfindung von Geschäftsmodellen beschäftigen, gerne kombiniert mit „lokalen“ Digitalstrategien. Vielen Unternehmen würde ich aktuell raten, gar nicht so stark nach einer globalen Digitalstrategie zu suchen, sondern mehrere verschiedene, eher produktbezogene Digitalstrategien anzugehen. Das reduziert Komplexität. Das bringt Geschwindigkeit. Also, wenn die Covid-Ära sich dem Ende neigt, geht es wieder um neue und innovative Geschäftsmodelle. Mein Tipp: Wenn Sie auf der Suche nach Innovationstreibern sind, fördern Sie Nachhaltigkeitsprojekte!   

Stichwort Sustainability: Was sind die kommenden Herausforderungen von Unternehmen für eine nachhaltigere Zukunft?  

Fangen wir bei den Geschäftsmodellen an: Neue Geschäftsmodelle sollten zukünftig zugleich digital und nachhaltig werden. Wem es gelingt, Digitalisierung mit Nachhaltigkeit zu kombinieren – der wird wirtschaftlich besonders erfolgreich werden. Unsere Kunden stehen unter einem enormen Druck, sich nachhaltig zu wandeln. Druck kommt zunächst von Investoren, vom Kapitalmarkt und vom Gesetzgeber – hier werden Unternehmen schnell handeln müssen. Nachhaltigkeitsberichte gehören bald zum Jahresabschluss, Lieferketten müssen transparent und von nachhaltigen Quellen sein. Das sind nur zwei aktuelle Beispiele. Zunehmend werden auch die Endkunden den Druck erhöhen – mit dem Portemonnaie! Die Kunden werden immer mehr nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nachfragen. Daher meine Prognose: Der Wandel in Richtung Sustainability, die Nachhaltigkeitstransformation wird größer als die digitale Transformation. Wir werden unsere Kunden auf diese Umstellung vorbereiten. Und wir werden für die Sustainability Transformation das nutzen, was wir bei der Digital Transformation gelernt haben. 

Das Gespräch führte Dr. Eric Schott mit Morvyn Lipinski, Communication Manager bei Campana & Schott.