26.10.2021

Führung auf Distanz

Erkenntnisse aus dem letzten Jahr und Implikationen für die Zukunft.

Aufgrund der Covid-19 Pandemie mussten Führungskräfte ihre Arbeit ohne grossen Vorlauf plötzlich „remote“ ausüben. Dabei wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus hunderten von Kilometern Entfernung eingestellt, eingearbeitet und geleitet. Ein Blick in alte Führungstheorien und von uns wissenschaftlich erhobenen Daten hat schnell klar gemacht - so funktioniert Führung nicht mehr. Viele Themen scheinen veraltet und der Stresssituation durch die Pandemie nicht mehr gerecht. 
 
Dabei ist eins besonders deutlich geworden: Menschlichkeit war noch nie so wichtig wie jetzt. Doch welche weiteren Aspekte stehen jetzt auf dem Plan für die Führung der Zukunft? 

1. Flexibilität

Ermögliche ich meinen Mitarbeitenden, soweit es geht, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten und auf das private Umfeld anzupassen? 

Diese Frage gilt es als Führungskraft zu beantworten und dabei ein gesundes Mass an Selbstreflexion anzuwenden. Dabei waren es in der empirischen Untersuchung vor allem die Mitarbeitenden, die diesen Aspekt verstärkt angesprochen und eingefordert haben.

2. Berücksichtigung der privaten Situation

Wie ist die Situation Zuhause - Gibt es weitere Haushaltsmitglieder im Home-Office und existiert ein separater Arbeitsbereich? 

Durch das Home-Office hat sich das Privatleben und der Beruf vieler Menschen in Deutschland vereint. Dies kann zu einer erhöhten mentalen Auslastung der Mitarbeitenden, aber auch der Führungskräfte beitragen. Gemeinsam im Team können diese Faktoren besprochen und diskutiert werden, um jeder Person eine angemessene Arbeitssituation zu ermöglichen. 

3. Transparenz

Lebe ich den transparenten Austausch im Team vor und gebe dafür den notwendigen Raum?

Durch die Arbeit auf Distanz können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden nicht mehr ihn alltäglichen Situationen erleben oder unterschiedliche Stimmungen im Team wahrnehmen. Daher sollte der Fokus verstärkt auf eine transparente Kommunikation gelegt werden. Dies gilt ebenfalls für Probleme oder Diskussionen im Team. Diese müssen sowohl von Mitarbeitenden, als auch von Führungskräften im digitalen Rahmen offen und ehrlich angesprochen werden. 

4. Empathie

Versetze ich mich in die Lage meiner Mitarbeitenden und bin in kritischen Situationen sensibel? 
Verstehe ich die durch die Pandemie bedingten Herausforderungen meiner Mitarbeitenden?

Führungskräfte müssen viel mehr als je zuvor ihre empathische Seite zum Vorschein bringen. Es sollte ein Verständnis über pandemisch herbeigeführte Herausforderungen existieren und darauf Rücksicht genommen werden. 

5. Menschlichkeit

Arbeite ich an meiner eigenen emotionalen Intelligenz und sehe ich den Mensch als Kern unserer Arbeit? 

Durch die unvorhersehbaren Zeiten konnten Führungskräfte die eigene emotionale Intelligenz überprüfen. Dabei sollte der Mensch im Kern der Arbeit gesehen werden. Die Führungskräfte haben ein Verständnis dafür, unter welchen besonderen Situationen die Mitarbeitenden arbeiten müssen. Dabei sehen die Mitarbeitenden allerdings ein, dass auch ihre Führungskraft ein Mensch ist und ähnlichen Umständen ausgesetzt ist. 

6. Positive Arbeitsatmosphäre

Lebe ich den unkonventionellen Austausch im Team vor und hat mein Team Spass bei der Arbeit? 

Trotz der Situation des Remote Working in Verbindung mit der Pandemie versteht die Führungskraft, dass die Arbeitsmotivation langfristig zum Erfolg beiträgt. 

7. Individualbetreuung

Welche Stärken & Schwächen haben meine Mitarbeitenden und wie wirkt sich die Home-Office Situation darauf aus? 
Wie kann ich Aufgaben optimal im Team verteilen, dass Stärken und Schwächen gleichermassen verteilt sind? 

Die Führungskraft versteht die Mitarbeitenden als eigenständige Individuen mit unterschiedlich ausgeprägten Stärken und Verbesserungspotentialen. Darauf aufbauend verteilt sie die Aufgaben entsprechend und berücksichtigt dabei auch die individuelle Arbeitssituation aus dem Home-Office. 

8. Vertrauen

Bin ich bemüht, eine Vertrauensbasis zu schaffen, dass über private Situationen im Home-Office gesprochen wird? 

Als Führungskraft wird das Thema des Vertrauens ernstgenommen und versucht, dieses positiv zu beeinflussen. Dafür schafft die Führungsperson eine Basis für seine Mitarbeitenden. Dies gelingt ihr durch das zugesprochene Vertrauen den Geführten gegenüber.

9. Kommunikation

Wie gut versteht sich mein Team untereinander und existiert eine offene sowie aktive Kommunikation? 

Die Mitarbeitenden haben keine Angst davor, offen zu kommunizieren. Dabei besteht ein respektvoller und reflektierter Umgang zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren Führungskraft. 

10. Authentizität

Schaue ich, dass alle Kommunikationsmassnahmen im digitalen Rahmen zum Spirit meines Teams passen? 
Evaluiere ich passende Instrumente zum digitalen Austausch, die sowohl zum eigenen Führungsstil als auch zum Mindset des Teams passen?

Die Führungskraft reflektiert passende Massnahmen zum Austausch zwischen den verschiedenen Personen in einem Team. Dafür greift sie nicht willkürlich alle möglichen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten auf. Sie nutzt Kommunikationsmethoden, die zu dem Team passen und von diesem akzeptiert werden. 

11. Aufmerksamkeit

Räume ich mir die notwendige Kapazität frei, um den Mitarbeitenden aktiv aufmerksam zuzuhören? 
Bin ich achtsam in der digitalen Zusammenarbeit? 

Die Organisation der Führungskraft gibt ihr die Möglichkeit, ihre Kapazitäten auch aktiv für die Mitarbeitenden zu nutzen, um bestmöglich auf diese eingehen zu können. Dabei existiert eine Sensibilität und Achtsamkeit der digitalen Zusammenarbeit. Die Führungskraft versteht die Unterschiede der Führung aus dem Home-Office und Führung vor Ort. 

12. Rückhalt zeigen

Bin ich mental stabil und kann meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein gewisses Mass an Rückhalt bieten? 
Reflektiere ich meine eigene Art digital oder hybrid zu führen?

Die Führungskraft hat in sich selbst eine Stabilität, die sie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausstrahlen kann. Die Mitarbeitenden erhalten dadurch eine gewisse Sicherheit, die selbst in Krisensituationen beständig bleibt. Dabei reflektiert die führende Person ihre eigene Art zu führen, um stetig das beste Führungsverhalten für ihr Team zu ermöglichen.

Fazit

Die vorgestellten Aspekte der Führung verdeutlichen insbesondere, dass der Anspruch an Führungskräfte, ihre Mitarbeitenden in ihrer Individualität wahrzunehmen und den zwischen-menschlichen Austausch zu reflektieren steigt. Dies gilt aller Voraussicht nach nicht nur für die pandemiebedingten, ausschliessliche „Remote“-Zusammenarbeit, sondern auch für künftige „hybride“ Zusammenarbeitsformen. Weitere Aspekte zu dieser Thematik gibt es im Artikel „New Work – New What?“ und dem ersten Teil dieser Serie: „COVID-19 und der digitale Arbeitsplatz: Zwei Ansätze für die erfolgreiche Teamarbeit auf Distanz“.