29.04.2021

Nachhaltige Geschäftsmodelle mit digitalen Technologien schaffen

Egal, ob aus ökologischen, ökonomischen oder sozialen Gründen: Nachhaltigkeit in Unternehmen sollte nicht nur ein Image-Faktor sein, sondern als Grundlage für ein erfolgreiches Geschäftsmodell gedacht werden. Schließlich führt ein nachhaltiges Business auch zu Umsatzwachstum – und kann in wenigen Schritten entwickelt werden.

Konsumenten sollen immer wieder neue Produkte wie Smartphones kaufen. Zumindest suggerieren das Werbung, Zeitverträge und technische Innovationen. Doch es drängt sich zunehmend die Frage auf, was mit den alten Geräten geschieht. So berichten Medien immer wieder von Müll-Exporten nach Afrika oder Asien und den dortigen Folgen. 

Handys sind nur ein Beispiel der üblichen Wegwerfgesellschaft. Doch hat dieses Geschäftsmodell nicht ausgedient? Angesichts der steigenden Forderungen nach Umweltschutz und Nachhaltigkeit können es sich Unternehmen nicht mehr leisten, einfach nur Produkte zu verkaufen. Sie müssen heute in der Produktentwicklung auch darüber nachdenken, aus welchen Materialien diese bestehen und was mit ihnen am Ende des Lebenszyklus geschieht.  

Die Idee von nachhaltigen Geschäftsmodellen berücksichtigt dabei über die Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft hinausgehend auch Prinzipien der Wirtschaftlichkeit. So erhalten Unternehmen nicht nur neue Wertschöpfungs-, Markt- und Kundenpotentiale. Sie erhöhen auch die Kunden- und Mitarbeiterbindung, realisieren potenzielle Kosteneinsparungen – etwa durch sparsamen Umgang mit Ressourcen – und steigern den Gesamterfolg des Unternehmens.

Drei Dimensionen für Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit lässt sich dabei in drei grundlegende Dimensionen einteilen:  

  • Die Ökologische Nachhaltigkeit zielt auf den Schutz der natürlichen Umwelt, die Ressourcen wie Wasser oder nachwachsende Rohstoffe bereitstellt sowie Reststoffe wie Abwasser und Abgase aufnimmt. 
  • Die Ökonomische Nachhaltigkeit hat den Erhalt von ökonomischem Kapital als Ziel. Das kann finanzielles, aber auch Sach- und Wissenskapital umfassen. 
  • Die Soziale Nachhaltigkeit umfasst den Erhalt von sozialen Systemen, die Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Gesundheit sowie die individuelle Teilhabe an gesellschaftlichem Handeln, zum Beispiel durch Bildung, gewährleisten. 

Sparen – aber nicht am Umsatz

Ein nachhaltiges Geschäftsmodell bringt dem Unternehmen nicht nur eine verbesserte Außenwahrnehmung. Insbesondere durch verringerten Materialeinsatz und Ressourcenverbrauch spart es auch Kosten. Reparieren statt neu produzieren senkt den Energieverbrauch, aber auf den ersten Blick auch den Umsatz. So ist früh zu evaluieren, wie sich ein nachhaltiges Geschäftsmodell wirtschaftlich sinnvoll umsetzen lässt.  

Dass diese Ausrichtung für einen nachhaltigen Erfolg sorgen kann, zeigt der rasante Aufstieg von Start-ups und etablierten Unternehmen, die sich einem nachhaltigen digitalen Geschäftsmodell verschrieben haben. Besonders die rasante Entwicklung neuer Technologien schafft hierfür immer neue Möglichkeiten. 

Eines der prominentesten Beispiele hierfür sind Plattform-Technologien für die Shared Economy. Dazu gehören Carsharing oder Call a Bike, Zimmer-Vermietung wie Airbnb oder Gerätenutzung wie Fat Llama. Aber auch Telemedizin-Anbieter oder Daten-Marktplätze wie DAWEX sorgen für eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen durch Patienten und Unternehmen. 

 

Alles aus einer Hand: das Product-Service-System

Neben der richtigen Technologie können Unternehmen auch den Ansatz des Product-Service-Systems (PSS) anwenden. Es verlagert den Geschäftsfokus von Entwicklung und Verkauf physischer Produkte auf die Bereitstellung eines Gesamtsystems aus Produkten und Dienstleistungen. Schließlich erfüllen diese gemeinsam die spezifischen Kundenanforderungen.  

Wer bereits Produkte erfolgreich am Markt platziert hat, kann durch das Hinzufügen von digitalen Services wie einer App oder Plattform einen komplementären Service anbieten. Ein Beispiel hierfür sind Daimler und BMW, die durch die Plattform Share Now einen Carsharing-Dienst anbieten. 

Komplementäre Produkte und Services erhöhen auch die Attraktivität des Angebots für Kunden. Denn sie ermöglichen ein reibungsloses Erlebnis und lassen sich besser an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. Dies steigert wiederum die Nachfrage, erzeugt für das Unternehmen einen zusätzlichen Einkommensstrom und verbessert die Vorhersagbarkeit von Kosten und Erlösen.

Diese Fragen sind im ersten Schritt für ein erfolgreiches PSS zu beantworten

Zur Entwicklung eines Product-Service-Systems sind zuerst die Einstiegsmöglichkeiten sorgfältig zu bewerten. Dazu zählen:  

  • Maximierung von Materialeinsatz und Energieeffizienz  
  • Nutzung erneuerbarer Ressourcen und natürlicher Prozesse 
  • Weniger Produktverkauf, mehr Nutzungsverkauf 
  • Incentivierung zur Sparsamkeit (weniger Produktverbrauch) 
  • Partnerschaft mit Non-Profit-Organisationen und -Vorhaben 
  • Effizienz durch hohe Skalierung steigern 


Anschließend sollte sich das Unternehmen folgende Fragen stellen: 

  • Muss ich das Produkt verkaufen, oder kann ich es auch verleihen und zu einem Service umgestalten?  
  • Wenn ich das Produkt als Service anbiete, wie viele Produkte muss ich produzieren, um ein ausreichendes Angebot zu schaffen? 
  • Lässt sich das Produkt vollständig aus nachhaltigen Materialien fertigen?  
  • Erkennen Kunden einen Mehrwert des nachhaltigen Produkts und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen? 
  • Kann ich einen Service bieten, der noch nicht existiert und nachhaltig ist? 

Entwicklung des optimalen Geschäftsmodells

Anhand der Antworten bieten sich häufig nachhaltige Product-Service-Systeme an, die auf hoher Skalierung und Nutzungsverkauf basieren. So lassen sich viele Geräte und Dienste vermieten oder gemeinsam verwenden. Dies reicht von Autos und E-Scootern über Wohnungen und Büros bis zu Cloud-basierten Mail- und Speicherdiensten. Zahlreiche Beispiele aus der Wirtschaft wie Uber, Microsoft 365 oder Amazon Web Services zeigen, dass diese nachhaltig und gleichzeitig umsatzwachstumsstark sind.  

Die Kenntnis der verschiedenen Ausprägungen – ökologisch, ökonomisch oder sozial – hilft bei der Definition und Entwicklung eines nachhaltigen Geschäftsmodells. Wenn die Entscheidung für ein Product-Service-System gefallen ist, müssen Unternehmen im nächsten Schritt evaluieren, ob mögliche Eintrittsbarrieren in den Markt den Aufwand rechtfertigen. Anschließend ist ein Grobkonzept zu erarbeiten, das auch die Frage klärt, welche Technologien zum Einsatz kommen. Nach einem Proof-of-Concept sowie ersten Testläufen zur Fehlerbehebung und zur Evaluierung am Kunden, zum Beispiel durch Hypothesenvalidierung, steht dem Roll-out des Product-Service-Systems nichts mehr im Weg.

Fazit

Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine Anforderung von Kunden, Gesellschaft und Gesetzgeber. Sie ist – wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte - aber nicht nur mit Kosten und Mehraufwand verbunden, sondern bringt auch große Chancen mit sich. Daher sollte sich jedes Unternehmen mit den wirtschaftlichen Vorteilen eines nachhaltigen Geschäftsmodells auseinandersetzen. Nachhaltigkeit kann in jeder Design-Phase eines digitalen Geschäftsmodells berücksichtigt werden. Dabei spielen neue digitale Technologien als Basis eine zentrale Rolle.

Autoren

Julien Besemer

Senior Consultant