16.10.2019

Wie geht agile Organisation?

Wegweiser: Wie müssen sich Unternehmen für die agile Zukunft aufstellen?

Die Digitalisierung erzeugt auch tiefgreifende organisationale Umstrukturierungen in Unternehmen. Dabei kommt es zu einem neuartigen Effekt: Eine agile Organisation ist sowohl Teil als zugleich auch Voraussetzung, um den digitalen Wandel weiter voranzutreiben. Denn die technologischen Umwälzungen gehen Hand in Hand mit den organisatorischen Umwälzungen. Mit Auswirkungen auf alle Unternehmensebenen. Entscheidend für den Erfolg sind die Führungskräfte.

Dies bestätigt der gerade veröffentlichte Future Organization Report, der die relevanten Erfolgsfaktoren agiler Transformationsprozesse aufzeigt. Führungskräften kommt eine besondere Rolle zu, weil und indem sie Mitarbeiter zu neuen Lösungen inspirieren und dafür Freiräume schaffen. In der Realität nimmt aber lediglich ein Drittel der Studienteilnehmer ein solches Verhalten der eigenen Vorgesetzten wahr. Generell attestierte nur rund ein Viertel der Befragten dem eigenen Unternehmen einen hohen bis sehr hohen Reifegrad an Agilität. Es wird also Zeit, dass Agilität ganz oben auf der Agenda steht. Welche Massnahmen eignen sich dazu am besten?

1. Zweck oder Mittel: Was ist eigentlich das Ziel einer agilen Organisation?

Mehr denn je sind Organisationen gefragt, innovativ und schnell zu sein. Die erfolgreichsten Grossunternehmen des Internetzeitalters sind genau das: Zur Unternehmens-DNA von Google und Amazon gehören extrem hohe Geschwindigkeit, mutige und konsequente Priorisierungsentscheidungen (worauf fokussieren wir uns, was geben wir auf, was lassen wir künftig weg?). Dann kommt eine dezentrale, agile Umsetzung. Microsoft ist mit der Neuausrichtung auf eben diese Werte ein beeindruckendes Comeback an die Spitze der Technologieunternehmen gelungen.

Fazit: Die agile Organisation ist nicht der Zweck, sondern das Mittel, um Kreativität und eine hohe Geschwindigkeit zu erzeugen.

Die agile Organisation baut auf drei Säulen auf: Toolset, Skillset und Mindset (Beispiele dazu im Folgenden):

1. Toolset
1. Toolset
  • Social-Collaboration-Tools sorgen dafür, dass Mitarbeiter abteilungs-, orts- und zeitunabhängig zusammenarbeiten 
  • Solche Werkzeuge ermöglichen den Mitarbeitern die technische Verbindung und Vernetzung und sind die technische Grundlage einer neuen Form der Zusammenarbeit
  • Auch bisher vernachlässigte Zielgruppen wie die Firstline Worker (Mitarbeiter in Produktion, Logistik u.ä.) lassen sich über derartige Lösungen weitaus besser an das Unternehmen anbinden
2. Skillset
  • Flexible Teams und adaptive Organisationen bedürfen völlig neuer Fähigkeiten
  • Sogenannte „T-Shaped Professionals“ sind der Schlüssel: Mitarbeiter, die generell ein breites Wissen mitbringen – die in einigen Teilbereichen aber zugleich auch über ein tiefes Expertenwissen verfügen
3. Mindset
3. Mindset
  • Der andauernde Wandel wird zum Normalzustand: Mitarbeiter müssen sich auf permanente Veränderung einstellen
  • Veränderung bedeutet vor allem Veränderung der eigenen Arbeitsweise 
  • Veränderung bedeutet auch Öffnung: Das Unternehmen öffnet sich, lässt Impulse von aussen nach drinnen genauso wie Partner von aussen kommen, um gemeinsam an neuen Lösungen zu arbeiten
  • Öffnung bedeutet zudem Öffnen der eigenen Abteilung: auf Kollegen aus anderen Einheiten zugehen, mit Unbekannten neue Ideen entwickeln, unbequeme Ansichten zulassen und wertschätzen
  • Führungskräfte bereiten diese Haltung vor

2. Führungskräfte müssen Agilität wollen, zeigen und vermitteln

Führungskräfte sollen ihre Mitarbeiter inspirieren und coachen, um sie so zu motivieren und ihnen auch bei Fehlern die nötige Sicherheit und Motivation zu geben. Unternehmen müssen dazu das Abteilungsdenken aufweichen. Starre Zuordnungen in Organigrammen gehören dann der Vergangenheit an. Es gilt, sich eigenständig in flexiblen Teams und adaptiven Organisationen zu organisieren.

Der zentrale Erfolgsfaktor ist auch hier die Führungskraft: Sie muss diese „neuen“ Werte der Organisation vorleben und an ihre Mitarbeiter weitergeben. Beispielsweise durch einen Führungsstil, der Mitarbeitende motiviert, ein offenes Mindset sowie eine positive Fehler- und Feedbackkultur auf allen Ebenen zu leben. Das Vorleben gilt auch für technologische Kompetenzen: Mitarbeiter werden sich neue Tools zur Zusammenarbeit nur dann aneignen, wenn sich die Vorgesetzten diese Werkzeuge zu eigen gemacht haben.

3. Ausprobieren, organisieren, entscheiden: Mitarbeitern Handlungsfreiräume geben

Erfolg kommt nicht trotz Misserfolg. Es ist umgekehrt: Zehn Misserfolge und Fehlversuche führen zu einem Erfolg. Diese Einsicht zwingt Unternehmen und Mitarbeiter dazu, ihre Arbeitsweisen zu überdenken. Dazu müssen Mitarbeiter mehr eigenständig ausprobieren, organisieren und entscheiden dürfen. Umgekehrt müssen sie das Mindset einbringen, sich initiativ mit neuen Themen auseinanderzusetzen und Digitalisierung als Chance zu begreifen.

4. Erst agile Projekte, dann agiles Denken: neue Skills im Unternehmen dauerhaft verankern

Der Königsweg, neu erlernte Fähigkeiten dauerhaft zu etablieren und die Organisation für die Zukunft zu rüsten, ist Transition-to-Line. Hierbei werden neue und sich ergänzende (heterogene) Skills, die zunächst in Projekten und Programmen erworben wurden, in die Linie bzw. in eine neue Organisationseinheit überführt.

Warum? Wenn immer nur Mitarbeiter mit gleichen oder ähnlichen Skills zusammenarbeiten, kommt immer auch das Gleiche heraus. Es ist also notwendig, in den neuen Organisationseinheiten einen interdisziplinären Mix an Fähigkeiten, individuellen Erfahrungen und unterschiedlichen Biografien zu schaffen. Nur so kommt es zu echten Innovationen.

Denn: Innovation und wirkliche Neuheiten entstehen nur, wenn sehr unterschiedliche Menschen mit diversen Kompetenzen und Erfahrungen zusammenkommen. Ein Anfang ist schon gemacht, wenn IT und Business bald quasi „natürlich“ zusammenarbeiten. Nicht als Auftraggeber und Auftragnehmer, sondern als zwei Disziplinen in einem Team. Im nächsten Schritt öffnet sich ein Team dann vielleicht für Experten von aussen, als temporäre Teammitglieder von ausserhalb des Unternehmens: Co-Creation ist ein sehr starker Ansatz, um marktrelevante Innovationen zu entwickeln.

5. Fast Track für neue Denkweisen: Kooperation mit Startups

Impulse von aussen können auch Startups sein. Sie arbeiten von ihrer ersten Stunde an agil. Die Kooperation mit Startups ist ein einfacher Einstieg für Unternehmen, der bei richtigem Vorgehen für beide Seiten Vorteile erzeugt und ein frisches Mindset ins eigene Unternehmen bringt.

Wie arbeiten Startups? Vor allem stehen sie im kontinuierlichen Austausch mit anderen, um Innovationsmöglichkeiten zu bewerten und zügig weiterzuentwickeln. Startups fällen Entscheidungen schnell und gehen dann in die agile Umsetzung. Startups messen ihre Erfolge und erkennen frühzeitig Misserfolge. Was zählt, ist das Endergebnis, und auf dem Weg passieren Fehler. Fehler aber werden früh erkannt und gelöst. Diese Denk- und Arbeitsweisen können Mitarbeiter in Unternehmen unterstützen und motivieren, ein neues Mindset zu etablieren und selbst viel agiler zu arbeiten. 

6. Change als Dauerzustand kommunizieren

Veränderung findet auf allen Ebenen statt: in Geschäftsmodellen, im Kundenverhalten, in den Fähigkeiten und Köpfen der Mitarbeiter. Change so verstanden hat kein Ende und die Massnahmen, um diese Veränderungen zu begleiten, haben kein Ablaufdatum.

Mitarbeiter müssen sich auf diesen dauerhaften Wandel einstellen und selbst Initiative übernehmen bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Niemand fordert die Mitarbeiter auf, selbst aktiv zu werden, sich zu verändern, sich weiterzubilden, mit Kollegen konkrete Ideen zu realisieren oder einfach auszuprobieren: Selbstinitiative ist hier das Schlüsselwort.